Wie Bechstein nach Erkner kam
Mit Anfang 40 kaufte
der erfolgreiche Berliner Klavierfabrikant Carl Bechstein Land vor den Toren
der Stadt. Zunächst stand ein Landhaus darauf, um 1890 ließ er es durch eine
prachtvolle Villa ersetzen. Erkner war bereits gut mit der Eisenbahn zu
erreichen und Bechstein verbrachte 10 glückliche Jahre lang beinahe jedes
Sommerwochenende hier mit seiner Frau und den vier Kindern. „Oft lud er Freunde
und Geschäftspartner aus aller Herren Länder ein. Sein gastoffenes
großbürgerliches Haus mit vielen Wohn- und Gesellschaftszimmern war mit feinem
Geschmack eingerichtet. Von der breiten Terrasse genoss man einen reizenden
Ausblick auf die weite Wasserfläche des Dämeritzsees. Davor erstreckte sich ein
Wasserbassin, das etwa die Hälfte des heutigen Parks einnahm. Von der
spiegelnden Wasserfläche bis zur Freitreppe der Villa reichte ein großer Garten
mit Wegen, Rasenflächen und prächtigen Nutz- und Zierpflanzen. Es gab
wertvolle seltene Bäume, einen schattigen Laubengang hinunter zum See, ein
Gewächshaus mit tropischen Pflanzen, einen Bootsanleger, ein Badehaus und einen
Kinderspielplatz. Eine zeitgenössische Radierung lässt erahnen, dass Carl
Bechstein an die Anlage dieses Gartens mit derselben Energie, Leidenschaft und
Gestaltungskraft zu Werk gegangen sein muss, mit der er in Berlin Klaviere und Flügel
baute, von denen Franz Liszt, Hans von Bülow und Claude Debussy schwärmten.“*
Großzügige Spenden
Nicht nur in
gesellschaftlicher Hinsicht war Bechsteins Anwesenheit eine Bereicherung für
Erkner. Nachdem sich die Gedanken über eine eigene Kirche ewig hingezogen
hatten, schenkte er der Gemeinde 1893 ein Baugrundstück. Danach ging alles
schnell: Kaiserin Auguste Viktoria wurde Schirmherrin und viele weitere Spenden
flossen, die Handwerker der Region gaben ihr Bestes. Nach nur zwei Jahren
Bauzeit erfolgte 1897 die Einweihung der ev. Genezareth-Kirche. Weil die Kaiserin
persönlich zur Feier kam, pflasterte die Gemeinde auch noch halbseitig die bis
dahin nur festgefahrene Friedrichstraße. Und Bechstein spendete zusätzlich die
drei Kirchenglocken. Bis heute tragen sie die Namen seiner Söhne: Carl, Edwin
und Johannes. Aber das ist eine andere Geschichte.
Villa wird Rathaus
1936 verkaufte Bechsteins
Sohn Carl den Landsitz mit Villa an die Gemeinde Erkner, die ihr Rathaus darin
unterbrachte. Der Firma ging es nicht gut, Flügel waren damals Träume aus besseren Zeiten. Bis heute ist die Villa das Rathaus geblieben, vielfach verändert, im
Krieg beim großen Bombenangriff schwer beschädigt und danach lange in
notdürftig saniertem Zustand genutzt, mit einem Anbau für ein Restaurant. Das einstige
Wasserbecken im Park haben wahrscheinlich die Kriegstrümmer der Friedrichstraße
gefüllt.
Pfauen im Park
Zwei Jahre lang wurden im RathausPark sogar 5
Pfauen gehalten (1939-1941). Die sind auch mal abgehauen und mussten dann in den
Berliner Zoo umziehen, da sie den Anwohnern zu laut waren und es nicht genug
Futter gab.
Rathaus wird moderne Villa
Anfang der 2000er
Jahre wurden Villa und Park mit viel Liebe wieder aufgebaut und um einen ganz
modernen neuen Anbau für die Verwaltung und die Bibliothek ergänzt. Die Anlage
des Parks ist angelehnt an seine frühere Gestaltung.
Die alte Villa heißt heute wieder Besucher willkommen. Der öffentliche Park dient der Erholung und gelegentlich auch Festen, wie dem großen Heimatfest der Stadt. Im Rathaus selbst sind vielseitige Ausstellungen zu bewundern und die Bibliothek mit Blick zum See ist ein ganz besonderer Magnet.
* Auszug aus dem Audio-Text von Geschichtslehrer Jörg Schulze aus dem Bechstein-Gymnasium Erkner
ebenfalls wissenswert:
Carl Bechstein spendete auch ein Harmonium an die Volksschule. Heute steht an diesem Ort das Carl Bechstein-Gymnasium. Diese Schule hat sehr viele Instrumente für ihre Schülerschaft. Das größte ist zweifelsfrei der Bechsteinflügel in der Aula, ebenfalls mit Hilfe von Spenden angeschafft.
Villa Bechstein:
Rathaus seit 1938:
Rathaus nach 1990:
Rathaus der Stadt Erkner
Im
Eingangsbereich finden Besucher nicht nur das Bürgerbüro, sondern auch
vielfältige touristische Informationen. In den einzelenen Etagen sind
wechselnde regionale Ausstellungen zu sehen und unter dem Dach ist der
große Sitzungssaal, in dem auch viele kulturelle Ereignisse stattfinden.
Die Bibliothek im Erdgeschoss hat einen direkten Zugang zum Park und
Bände, um sich darauf sofort in die neu ausgeliehenen Bücher zu
vertiefen.
Bechstein-Flügel
Heute existieren noch mindestens zwei Bechstein-Flügel in
Erkner.
Ein „Bechstein“ ist original aus dem letzten Jahrhundert. Aufwändig saniert, steht er heute im Rathaus Erkner, also in der einstigen Bechstein-Villa. Ganz oben im Bürgersaal, mit weitreichendem Blick über den Dämeritzsee, ist er zu finden. Auf ihm spielen verschiedene Künstler zu besonderen Anlässen, auch Konzerte bekannter Virtuosen sind darunter.
Der zweite „Bechstein“ wurde dank großzügiger Spenden für das hochmoderne Bechstein-Gymnasium in Erkner angeschafft. Er steht heute in der Aula. Bis zu 450 Zuhörer kommen bei schulischen, sehr feierlichen Anlässen in seinen Genuss. Am besten kommt der Flügel zur Geltung, wenn die gelegentlichen, öffentlichen und hochwertigen Konzerte in der Aula stattfinden. Karten gibt es über das Hauptmann-Museum in Erkner.
Stadt Erkner
Friedrichstraße 6-8
15537 Erkner
Villa Bechstein
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Sponsor:
Stadt Erkner
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Fotos und Texte:
Frank Retzlaff,
Stadtarchiv Erkner
Sprecher:
Jörg Schulze, Lehrer
Carl-Bechstein-Gymnasium
Tontechnik & Schnitt:
Renè Bourgeois
Aktualisierung:
Juni 2023