Maulbeer-Plantage

Die Seidenstraße von Erkner - Stefanie Richter und Kathrin Jadwizak reden darüber
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Wenn Sie jetzt in ein 250 Jahre tiefes Zeitloch fallen würden, mitten hinein in das Jahr 1755, wären Sie hier von sehr, sehr vielen Maulbeerbäumen umgeben. Genauer: von 1.500 jungen Bäumen einer ganzen Maulbeerplantage, die Friedrich der Große anbauen ließ, um die sündhaft teure Seide aus China in seinem eigenen preußischen Königreich zu produzieren.

Das war gar nicht so einfach. Seidenstoff besteht aus dem hauchdünnen Faden, mit dem Seidenraupen ihren Kokon spinnen. Wie in der Geschichte der Raupe Nimmersatt fressen die Raupen so viel sie können und wenn sie dick genug sind, spinnen sie sich in einen Kokon ein.

Seidenraupen allerdings fressen nur Maulbeerblätter. Also wurde eine große Maulbeerplantage angelegt um mit deren handgepflückten Blättern die Seidenraupen zu füttern. Die Seidenraupen hielt man in einem eigens errichteten „Seidenbauhaus“, das vermutlich 200 Meter weiter nördlich von diesem Baum stand, an der heutigen Beuststraße. Sobald sie sich in den Kokon eingewebt hatten, wickelte man sie aus ihrem Gebilde aus dem hauchdünnen begehrten Seidenfaden wieder aus.

Der erste Pächter der Maulbeerplantage zur Seidenproduktion war Regimentsquartiermeister John. Um die 15 ha Fläche mit all den Bäumen zu bewirtschaften, musste er 8 fremde Wollspinner-Familien ansiedeln und jährlich 12 Taler Pacht zahlen. Viel Glück hatte er nicht. Schon bald musste er in den 7jährigen Krieg ziehen. Er kam nicht wieder, die Plantage wurde arg in Mitleidenschaft gezogen und „die etabliert gewesenen Kolonisten sind weggelaufen“.

Ein Major von Lahrbusch baute die Plantage wieder auf und züchtete weiter Seidenraupen bis zu seinem Tod zehn Jahre später, 1782. Seine Witwe Albertina Philippine übernahm, eine sehr starke Frau. Sie heiratete nicht wieder, damit das Erbe für ihre Kinder erhalten blieb. Ja, sie setzte sogar mit Hilfe des Königs durch, dass sie als Frau die Plantage weiterführen durfte. Das war damals sehr, sehr ungewöhnlich. Heute gibt es Überlegungen, nach Frau Major von Lahrbusch die namenlose Brücke im Zentrum unserer Stadt Erkner zu benennen.

Aber zurück zu unserer Maulbeerplantage. Die Nachfolger der Majorin Lahrbusch mussten schon keine Maulbeerbäume mehr anpflanzen. Der cleverste unter ihnen war der Ökonom Beust. Er schaffte es, das Grundstück als Eigentümer zu übernehmen und 1/6 der Fläche direkt weiter an die Eisenbahn für den Bau einer Bahnstrecke zu verkaufen. Zwischen 1863 -1900 verkaufte Beust - und später seine Erben - auch das restliche Gelände Stück für Stück in kleinen Parzellen. Es bildet unser heutiges Stadtzentrum, in dem es nicht zufällig eine Beuststraße gibt.

Was wurde aus den vielen Maulbeerbäumen? Dieser eine Maulbeerbaum ist vermutlich der letzte Überlebende. Er ist ein echter Kämpfer. Nicht nur die Parzellierung hat er überlebt. Vor seiner Nase wurde die prächtige Friedrichstraße angelegt und von neuen Straßenbäumen umsäumt. Darauf fuhren erst Pferdewagen, dann immer mehr Autos. Der Verkehr wurde dichter und die Friedrichstraße zu schmal. Für die Verbreiterung holzte man alle Straßenbäume ab, nur die Maulbeere nicht, denn sie stand etwas weiter weg vom Straßenrand. Die nächste Generation Straßenbäume im Zentrum Erkners fiel dem großen Bombenangriff 1944 zum Opfer. Nur die Maulbeere überlebte alle Feuer um sie herum und trieb mit zartem Grün neu aus. Es blieben Ruinen, die zu Behelfsbauten mit neuen Straßenbäumen, den schnell wachsenden Pappeln, wurden, bis 1978 alles platt gemacht wurde, um einem ganz neuen Stadtzentrum aus Plattenbauten zu weichen. Nur ein einziger Baum blieb stehen: die alte Maulbeere.

Heute steht die letzte alte Maulbeere unter Denkmalschutz, die benachbarte Maulbeerapotheke ist ihr Pate. Sie hat ein eigenes Schild bekommen und eine Blumenuhr dazu. Sie wurde im Stadtwappen verewigt. Viele neue Maulbeerbäume wurden in Erkner gepflanzt, zur Erinnerung an die einstige Plantage. Und, nicht zuletzt: Manufaktur Stricklieschen und Ritari Grafik Design haben für uns Fritz & Frida erdacht und gestrickt, die beiden Maulbeerchen, die Sie als Andenken mit nach Hause nehmen dürfen.

Fakten

Das alles hat die Maulbeere schon er- und überlebt:

Maulbeerplantage
8.11. 1752: Unterschrift zur Gründung der Maulbeerplantage durch Regimentsquartiermeister Gottfried Ludwig John vom Zietenschen Husarenregiment für 32 Morgen und 10 Quadratruten in „Erbpacht und Eigentümlich“ Das Gebiet würde heute begrenzt von der Beuststraße im Norden, der Fürstenwalder Straße im Süden, der Friedrichstraße im Westen und der Breitscheidstraße im Osten.

1756 John musste als Offizier in den 7jährigen Krieg ziehen, da verliert sich seine Spur.

1758 taucht eine Offizierswitwe Frau Obristleutnant von Brumsée für kurze Zeit in den Unterlagen als Pächterin auf

1760 übernahm Major von Lahrbusch für 2.000 Taler die Gebäude und zahlte weiter Pacht für das, was nach dem Krieg von der Plantage übriggeblieben war. Er schrieb an die Verwaltung, das Domainamt in Rüdersdorf: „… wurde das Seidenbau-Etablissement fast vollständig zerstört“ Nach dem Krieg inspizierte das Amt im Februar 1771 das Gelände und stellt fest „532 Bäume sind eingegangen, und die etabliert gewesenen Kolonisten sind weggelaufen.“ Lahrbusch züchtete Seidenraupen bis zu seinem Tod 1782, danach bewirtschaftete seine Frau die Plantage für weitere 10 Jahre bis zu ihrem Tod. Sie war übrigens sehr entfernt mit Goethe verwandt. Ihr folgten noch etwa sechs verschiedene Pächter, zuletzt mussten sie auch schon keine Maulbeerbäume mehr anpflanzen.


Parzellierung
1838. Die letzte Maulbeere überlebte.
1838 gelang es dem Ökonom Adolph Eduard Beust, das Gelände als Eigentümer zu erwerben. Er bezahlte nur die 10.700 Taler für die Hypothek, die auf der Plantage lag. Zu dieser Zeit gab es schon die ersten Pläne zur Eisenbahn, die nur über das Flakenflies führen konnte. Ein Sechstel des frisch erworbenen Geländes verkaufte Beust also direkt weiter an die Eisenbahn, die hier kurz darauf die neue Strecke verlegte. Sein Verkaufspreis für dieses Teilgelände war in etwa so viel Geld, wie er kurz zuvor für den Kauf des ganzen Geländes bezahlt hatte. Ab 1863 parzellierte und verkaufte er weitere Fläche der ehemaligen Plantage. Beust starb 1876, seine Erben haben den nördlichen Rest bis Anfang 1900 noch an Privateigentümer verkauft. Das Gelände war die Keimzelle des heutigen Stadtzentrums.


Straßenverbreiterung
1938 Fällung aller Straßenbäume im Ortszentrum zur Erweiterung der Friedrichstraße als Zubringer zur neuen Autobahn. Die alte Maulbeere überlebte.

Brennende Häuser nach Bombenangriff
8.3. 1944 Bombenangriff auf Erkner. Die alte Maulbeere überlebte.

Neubau der gesamten Innenstadt
1978 Neugestaltung des gesamten Ortszentrums von Erkner mit Wohnblöcken in Plattenbauweise, zwei Kaufhallen, Kitas, Schulen. Die alte Maulbeere überlebte.

Denkmalschutz
Nach der Wende wurde die alte Maulbeere unter Denkmalschutz gestellt. Die Maulbeerapotheke in der Friedrichstraße übernahm die Patenschaft.

Heute
Fritz und Frida, die Maulbeerchen zum Mitnehmen
Kokon einer Seidenraupe
Maulbeeren eines Baumes reifen zu verschiedenen Zeiten

Baumpatin
Die Maulbeer-Apotheke in der Friedrichstraße ist seit über 10 Jahren Baumpatin. Wann immer etwas zu tun ist, sorgt sie für den alten Baum der einstigen Plantage. In der Vergangenheit war das auch schon mal der Bodenaustausch oder ein Baumschnitt.

Gestrickte Maulbeerchen Fritz & Frida
In liebevoller Handarbeit hat Manufaktur Stricklieschen in Erkner die lustigen Früchtchen gestrickt: den weißen Fritz und die blaue Frida. Sie kommen viel in der Stadt umher, sei es beim Babyempfang oder beim Treffen des Mittelstandsvereins. Auch an der Kuscheltier-Jagd haben sie schon teilgenommen. Und wenn Sie mögen, dürfen Sie ihre eigene Fritz & Frida aus Erkner auch mit nach Hause nehmen. Es gibt sie in der Manufaktur Stricklieschen.

Maulbeeren für die Vögel
Maulbeeren stehen nicht nur bei der Seidenraupe auf dem Speiseplan. Auch für uns Menschen hat die eher unbekannte Beere einiges zu bieten. Die Früchte stärken das Immunsystem, sie können u.a. beim Abnehmen, bei Erkältungen und bei Schlafstörungen helfen. Die Früchte unserer alten Maulbeere aber sollten wir für die Vögel unserer Stadt lassen, denn sie lieben die saftigen Beeren an den Zweigen.

Kontakt

Die gestrickten Maulbeerchen gibt es:
Manufaktur Stricklieschen
Kathrin Jadwizak
Am Dämeritzsee 9a, 15537 Erkner
Tel. 0176 56660382
Stricklieschen-Treff jeden Donnerstag ab 11 Uhr
Insta: https://www.instagram.com/manufakturstricklieschen/?hl=de


Die Grafik der Maulbeerplantage kommt von
Ritari Grafik, Konzept
Stefanie Richter
http://www.ritari.de
Tel. 030 / 8638 1272


Patin des letzten Baumes ist die
Maulbeerapotheke
Inhaber: Herr Redmann
Friedrichstraße 58, 15537 Erkner
www.maulbeer-apo.de
Tel. 0 33 62 / 58 60-0

Karte

Maulbeerplantage

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Sponsor:
Stadt Erkner

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Fotos und Texte: 
Frank Retzlaff, Stadtarchiv Erkner

Sprecherinnen
Stefanie Richter und Kathrin Jadwizak 

Tontechnik & Schnitt:
Renè Bourgeois

Aktualisierung:
Januar 2023

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